Das Zeitalter der Schuldenwirtschaft

Schuldenfehler früherer Zeiten sollen mit neuen Schulden behoben werden – eine fatale Entwicklung für die Zukunft.

Die letzten Jahre und Jahrzehnte deformierten die Marktwirtschaft zur Schuldenwirtschaft. So berufen sich viele Staaten in Zeiten schwieriger Konjunktur auf John Maynard Keynes, dessen Theorie besagt, dass durch staatliche Ankurbelungprogramme das konjunkturelle Ab überwunden werden sollte. Nur war der Staats stets unfähig nach Phasen konjunkturell veranlasster Ausgabenorgien auf Sparsamkeit umzuschalten, um die Schulden schnellstmöglich wieder ab zutragen. Sparen verkauft sich eben nicht so gut und so wurden auch in Phasen der Hochkonjunktur weiterhin Schulden gemacht.

Die Schuldigen am Desaster sind nicht nur verantwortungslose Banker und Ratingagenturen. Das wäre zu schön und zu einfach. Selbstprüfung ist angesagt für uns alle, für alle Gesellschaften, zumindest die in den Wohlstandsgefilden des Westens und des Fernen Ostens. Es sind Grundhaltungen, in Amerika, in Europa, in Asien, die uns dahin gebracht haben, wo wir heute stehen. Jene Mentalität, die Wohlstand für unendlich vermehrbar hält, die das Wirtschaftswachstum zur einzigen Messlatte für den Erfolg verklärt. Auch wenn der nur durch Schulden möglich wurde, auf Kosten der Zukunft. Es ist eine Krise der Gesellschaft: einer Gesellschaft, die blind dem Wachstumsglauben, dem Beschleunigungs- und Machbarkeitswahn verfallen ist.

Allen voran gilt das für die USA, die mit einem dreifachen Defizit – Bundeshaushalt, Leistungsbilanz und überschuldete Privathaushalte – seit Jahren weit über ihre Verhältnisse gelebt haben, gefüttert vor allem durch ausländische Kreditgeber (China lässt Grüßen). Sie haben der übrigen industrialisierten Welt vorgemacht, wie schöne Wachstumsraten mit gepumptem Geld fabriziert werden.

Es war nicht die Marktwirtschaft, die versagt hat. Die macht Fehler und kann immer wieder verbessert werden, wie es seit Adam Smith geschieht. Sie ist und bleibt ohne Alternative, mit ihrer Fähigkeit, Nachfrage und Angebot auszugleichen, für grandiose Innovationen zu sorgen, Massenwohlstand zu schaffen.

Es waren Schuldenexzesse, es war Maßlosigkeit, die uns dahin gebracht haben, wo wir an diesem düsteren Jahresausgang stehen. Wenn die private Schuldenwirtschaft nun staatlicherseits mit neuen Pumprekorden fortgesetzt wird, um Schlimmeres zu verhindern, dann muss, wenn diese Krise eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages ausgestanden ist, schnellstmöglich der Hebel wieder umgelegt werden, dann muss Zahltag sein. Konkret: Der Staat muss Ausgaben kürzen; den Schuldenberg abtragen, anders als in den letzten Jahrzehnten, als immer neue Schulden dazukamen. Die Notenbanken müssen dann umgehend die Zinssätze wieder nach oben schleusen, müssen anders agieren als die US-Notenbank, die nach dem Internet-Crash und 9/11 die Märkte viel zu lange mit billigem Geld überschwemmte. Weniger konkret, aber nicht minder bedeutsam: Es gilt abzulassen von Wachstumszielen, die mit solider Finanzierung nicht zu erreichen sind; Tempo rausnehmen aus dem globalen Wirtschaftsrad, das sich immer schneller drehte; nachhaltig wirtschaften lernen; oder, altmodisch formuliert, in den Worten Ludwig Erhards: Maß halten.

Quelle: Wolfgang Kaden, Spiegel

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