Nach der nächsten deutlichen Zinssenkung durch die EZB fragen sich immer mehr Ökonomen, ob diese niedrigen Zinsen auch zu mehr Krediten führen. Dies ist derzeit ein wesentlicher Grund, warum aus der Finanz- eine Wirtschaftskrise wird. Banken verschärfen aufgrund „fauler Kredite“ ihre Risikoeinschätzung, gleichzeitig funktioniert ihre Refinanzierung auf dem Geldmarkt nicht mehr, und beides kurbelt die wirtschaftliche Abwärtsspirale weiter nach unten: Das Phänomen wird Kreditklemme genannt, und wir dürften uns mitten darin befinden.
Genau wissen wir es aber nicht – und das ist das eigentliche Problem in der jetzigen Situation. Es gibt zwar anekdotische Evidenz, dass Unternehmen nur schwer Kredite bekommen. Von Seiten der WKO wird angeführt, dass es vor allem KMU trifft. Die Industrieseite und auch Betriebsräte berichten, dass vor allem große Unternehmen Probleme haben, an hohe Investitionssummen zu gelangen. Die Banken erfüllen – so der Vorwurf – ihre ureigenste Aufgabe nicht mehr. Diese sehen das naturgemäß anders: Sie argumentieren, dass es für bonitätsschwache Kunden an der Kippe zu einer Rezession immer schwierig ist, einen Kredit zu bekommen.
Vonseiten der OeNB gibt es einige Daten, die Anhaltspunkte liefern können. Allerdings handelt es sich dabei um „ex post“-Analysen, die mit einer großen Zeitverzögerung und auch methodischen Problemen verbunden sind. So gibt das Volumen an Unternehmenskrediten Auskunft darüber, wie sich die Kreditmenge an sich entwickelt. Dies ist konjunkturpolitisch interessant, sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob die Veränderung angebots- oder nachfrageseitig induziert ist. Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, kann einzig der sogenannte Bank Lending Survey (Umfrage über das Kreditgeschäft) der OeNB verwendet werden, der die Kreditvergabebedingungen der Banken analysiert. Dabei werden Manager von fünf Großbanken viermal pro Jahr unter anderem zu ihren Kreditrichtlinien befragt. Diese Befragung ist rein qualitativer Natur, weshalb sie mit allen Unsicherheiten dieser Methode behaftet ist. Trotzdem: Diese Befragung zeigt, dass die Kreditvergabepraxis der Banken restriktiver wird – und dies bereits seit dem dritten Quartal 2007. Die Daten zeigen, dass es große noch stärker als kleine Unternehmen trifft: Dies deutet darauf hin, dass es sich vor allem um ein Refinanzierungsproblem der Banken handelt.
Zusammenbruch ein Systemrisiko?
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es in einer solchen Situation? Klar ist, dass die Banken ihrer Aufgabe nachkommen müssen. Im sogenannten Bankenpaket – zur Stärkung der Eigenkapitalbasis und des Interbankenmarkts – gibt es Ansatzpunkte, die die Banken dazu zwingen, ihre Arbeit zu tun: Zu den Bedingungen für die staatliche Unterstützung können Regelungen bezüglich der Kreditvergabe an Unternehmen gehören. Diese allgemeine Formulierung soll über die Einzelvereinbarungen mit den Banken präzisiert werden; quantitative Vorgaben wie in Frankreich oder Großbritannien fehlen aber. Diese Verträge sind zudem nicht öffentlich zugänglich, ihre Überprüfung unklar – ein demokratiepolitisches Problem an sich, handelt es sich immerhin doch um staatliche Gelder.
Zu unterstützen ist jedenfalls der Wunsch des Wirtschaftsministers Mitterlehner nach einem monatlichen Bericht der OeNB, denn wir wissen zur Lösung viel zu wenig über das Problem an sich. Wenn der Zusammenbruch großer Banken ein Systemrisiko ist, dann ist es die Pflicht der Politik, über diese Risken so früh wie möglich so viel wie möglich zu erfahren.
Quelle: Presse